Nürnberg, 18. Mai 2019: Das große Finale des Kulturhackathons Coding da Vinci Süd fand am Samstag in der Tafelhalle in Nürnberg statt. Hunderte Zuschauende bewunderten die 18-Pilot Projekte und folgten gespannt bis zur Siegerehrung am Ende des Tages den Pitches.
Am Vormittag der durch Ann-Kathrin Mittelstraß, Bayern 2, moderierten Preisverleihung hatten sich hochrangige Vertreter*innen aus Politik und Kultur am Mikrofon abgewechselt, und jeweils unterschiedliche Facetten von Coding da Vinci gewürdigt. So erhob Dr. Rolf-Dieter Jungk, Amtschef des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, die Idee von „Erbe trifft Innovation“ zum Motto von Coding da Vinci Süd. Er finde es „großartig“, dass Coder*innen und GLAMs (Galleries, Libraries, Archives and Museums) in diesem Wettbewerb zusammenarbeiteten und damit digitale Kulturvermittlung mit höchstem Anspruch betrieben. Prof. Dr. Julia Lehner, Kulturreferentin der Stadt Nürnberg, erinnerte daran, dass Nürnberg einst ein Zentrum der Industrialisierung in Deutschland gewesen sei, und dass auch nun – u.a. mit Coding da Vinci Süd und dem kommenden Nürnberg Digital Festival – erneut ein Ausdruck von revolutionärer Innovation und Zeitenwende die Stadt auszeichne. Marie-Kristin Meier von der Kulturstiftung des Bundes machte darauf aufmerksam, dass das Digitale in den Kultureinrichtungen zu einer Daueraufgabe avanciert, die mehr sei, als das reine Digitalisieren von Sammlungsbeständen. Kultureinrichtungen könnten durch digitale Formate und freie Lizenzierung neue Zugänge ermöglichen und damit einen Beitrag zur digitalen Allmende leisten.
Keynote-Speaker Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin spannte auf unnachahmliche Weise den großen Bogen vom humanistischen Ideal der Renaissance bis zum Kultur-Hackathon der Gegenwart und deutete die Digitalisierungsbestrebungen (vor allem in Deutschland) als Teil eines Selbstvergewisserungsprozesses, der die aktuelle Phase der Digitalisierung zu Recht präge.
Sybille Greisinger (Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern verantwortlich für den Bereich Digitale Kommunikation) und Dr. Kathrin B. Zimmer (Koordinatorin der Themenplattform Bildung, Wissenschaft und Kultur am Zentrum Digitalisierung.Bayern), die das Veranstalterteam aus 11 Institutionen (https://codingdavinci.de/events/sued/) leiteten, lobten den großen Einsatz der teilnehmenden Datengeber*innen, die sich im Vorfeld des Kultur-Hackathons erfolgreich mit Fragen der Datenqualität, des Urheberrechts, offener Lizenzen sowie dem in Kulturinstitutionen wenig gepflegten Präsentationsformat des „Pitchings“ (One-Minute-Madness des Kick-Off) auseinandergesetzt hatten. Den teilnehmenden Teams gebühre Anerkennung für sechs intensive Wochen der Arbeit, freiwillig neben Studium, Startup oder Job. Es sei beeindruckend, welches kreative Potential offene Kulturdaten entfalten können und wie intensiv sich der Austausch zwischen Datengebern und den experimentierfreudigen „Hacker*innen“ gestalten kann. Über eine Idee und einen Datensatz auf dem Kick-Off kennengelernt, arbeiteten sie zusammen, um bei der Preisverleihung punkten zu können und nachhaltig die Türen des Museums, Archivs oder der Bibliothek zur digitalen Welt zu öffnen.
Insgesamt 18 Projekte waren am Ende der Sprintphase von Coding da Vinci Süd in das Rennen um die Preise in fünf Kategorien gegangen, und alle präsentierten sich mit Bravour am 18.5.2019 vor großem Publikum in der Tafelhalle Nürnberg. Die Webseiten, Apps und Spiele bestachen mit witzigen und kreativen Ansätzen, einige Anwendungen beeindruckten durch aufwendige Technik, für deren Entwicklung die Teams wiederholt Nächte durchgearbeitet hatten. Der Jury dürfte es nicht leichtgefallen sein, ihre Entscheidungen zu treffen, das technisch-kreative Level aller präsentierten Projekte war hoch und unterstrich damit die Qualität und das enorme Potenzial des von den Kulturinstitutionen zu Verfügung gestellten Datenmaterials. Nicht von der Jury ausgezeichnet aber tagespolitisch sehr aktuell war die Message des Teams „Wie geht‘s Dir, Europa?“, das mit seinem Projekt vor allem junge Leute für die Europawahl am 26. Mai begeistern will.
Nach den Projektpräsentationen waren alle Teilnehmer*innen und Gäste eingeladen, die Projektausstellung im Foyer zu besuchen und alle eingereichten Arbeiten an Rechner, Smartphone oder VR-Station selbst zu erproben. Die Möglichkeit zum Austausch wurde gerne genutzt und das Netzwerk ausgebaut.
Coding da Vinci – Der Kultur-Hackathon wird gefördert im Programm Kultur Digital der Kulturstiftung des Bundes als gemeinsames Projekt der Deutschen Digitalen Bibliothek, des Forschungs- und Kompetenzzentrums Digitalisierung Berlin (digiS), der Open Knowledge Foundation Deutschland und Wikimedia Deutschland.
Doppelsieg für “162 Ways To Die”
Gleich in zwei Preiskategorien konnte das Team von 162 Ways To Die punkten: Die Anwendung, die sich – angelehnt an eine Toniebox – mit dem Leben, Wirken und Sterben von 162 Jesuitenmönchen der Bildtafeln aus dem Stadtmuseum Landsberg am Lech auseinandersetzt, wurde als „funniest hack“ und als Publikumsliebling gekürt. Die liebevoll gestaltete interaktive Installation basiert auf einer Vorlese-Funktion, die bei Aktivierung durch das Einstellen einer Figur automatisch die zugehörige Geschichte vorliest – mit finalem Überraschungseffekt. Der Preis in der Kategorie „most technical“ ging an das Team der LMU München für die Entwicklung der SchmankerlTimeMachine. Über die Homepage https://dhvlab.gwi.uni-muenchen.de/schmankerltimemachine/# haben die Nutzer*innen die Möglichkeit, sich durch Münchner Speisekarten des 18. und 19. Jhs. durchzulesen, Gerichte nach Preis auszuwählen, sich ein Menü zusammenzustellen und dieses via Verlinkung mit Chefkoch.de auch mit Rezept und Zutatenliste zu versehen. Zu guter Letzt konnten dank Einbeziehung zusätzlicher Daten aus dem Stadtarchiv München zeitgenössische Aufnahmen der Wirtshäuser ergänzt werden: Einem nostalgischen Münchner Schmakerl Abend steht somit ab jetzt nichts mehr im Weg. Doch was auf den ersten Blick wie eine unterhaltsame, spielerische Annäherung an einen Datensatz der Monacesia im Hildebrandhaus aussieht, offenbart auf den zweiten Blick Ansatzpunkte für künftige Forschungsvorhaben. Die Community ist aufgerufen, weitere Karten hinzuzufügen sowie diese zu transkribieren. Die damit an Umfang stets zunehmende Datengrundlage kann künftig als Quelle für wissenschaftliche, lokalgeschichtliche und gesellschaftliche Fragestellungen dienen, beispielsweise: Ab welchem Jahr findet sich ein bestimmtes Gericht erstmals auf dem Münchner Speiseplan? Oder wie verändern sich im Laufe der Zeit die Adjektive, mit denen die Speisen angepriesen werden?
Sieger der Kategorie “most-useful”
In der Kategorie „most useful“ – Preis für die relevanteste Anwendung – wurde „Linked Stage Graph“ ausgezeichnet, ein Linked Data-basierter Wissensgraph, der mit darauf aufbauenden Visualisierungen einen spannenden Einblick in 7.000 Fotografien und die zugehörigen Aufführungsdaten des Stuttgarter Staatstheaters bietet. Theater-, Fotografie- und Kulturinteressierten eröffnet sich damit die Möglichkeit, die Theatergeschichte Stuttgarts auf der Basis der Fotografienaus neuen Perspektiven zu entdecken. Die Webseite ist online unter http://slod.fiz-karlsruhe.de/ bereits verfügbar. Das Projekt besticht durch seine auch auf andere Datensets übertragbare Logik der Datenstrukturierung und -visualisierung, die die Fotografien für technische Laien wie Expert*innen einfach zugänglich bzw. erlebbar macht. Die zusätzliche Anreicherung mit Datensets von Wikidata und der Gemeinsamen Normdatei (GND) der Deutschen Nationalbibliothek sowie die Bereitstellung einer öffentlich verfügbaren Abfrage, die es anderen Daten-Enthusiasten erlauben an die Ergebnisse nahtlos anzuknüpfen, macht „Linked Stage Graph“ zu einem echten Gewinn.
Sieger der Kategorie “Best-Design”
Cover.Boutique, Sieger in der Kategorie „Best Design“, bietet die Möglichkeit, sich über eine Web App https://cover.boutique/ auf der Grundlage ausgewählter Museumsdaten, Cover für das Smartphone zu generieren, auf dem heimischen Drucker auszudrucken und in einer durchsichtigen Silikonhülle auf der Rückseite des Handys effektvoll zu platzieren. Die Herangehensweise, aus einem enormen Spektrum an Datensets – von den Postsäcken der Museumsstiftung Post und Telekommunikation in Nürnberg, den Aufnahmen Historischer Zeppelinfahrten des Zeppelin Museum Friedrichshafen bis hin zum Kartenmaterial des Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg – eine simple Idee für eine junge Zielgruppe zu erarbeiten, beeindruckte nicht nur die Jury nachhaltig.