München, 01. April 2019. Energie ist digital!
400 Teilnehmer strömten am 1. April in die Bayerische Akademie der Wissenschaften, um bei “Energie ist digital”, einer Veranstaltung der Themenplattform “Digitalisierung im Energiebereich”, des StMWi und der FfE dabei zu sein.
Ein deutliches Zeichen für das riesige Interesse am Thema Digitalisierung und Energie, an der Themenplattform “Digitalisierung im Energiebereich” und der Tätigkeit des Projekts C/sells.
Ein Kernthema der Veranstaltung mit dem C/sells Ministerdialog Bayern war die zunehmende Digitalisierung des Energiesystems. Um Herausforderungen wie die Energiewende und steigenden Strombedarf meistern zu können, müssen Erzeugung und Verbrauch effizienter abgestimmt werden. Intelligente Lösungen führen zu weitreichenden Veränderungen für Kunden und Unternehmen – und bergen dabei Chancen als auch Risiken. Die Digitalisierung des Energiesystems muss unter den richtigen (politischen) Rahmenbedingungen erfolgen, um eine nachhaltige Gestaltung zu gewährleisten.
Wie steht es um die Digitalisierung und Energieversorgung in Bayern? Diese Frage beantwortet zu Beginn Hubert Aiwanger, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie.
In seiner Begrüßungsansprache zeigt sich Aiwanger beeindruckt: „Hier sind heute so viele Interessierte und Experten vor Ort. Das zeigt: Das Thema Energie füllt die Säle, Energie interessiert wieder. Energie muss wieder ein Thema für den Stammtisch werden“
„In der Politik wollen wir alle Register ziehen“
„Wir sind uns sicher: In Zukunft werden wir nicht mehr mit Erdöl oder Kohle unsere Wohnungen heizen, sondern mit erneuerbaren Energien“, so Minister Aiwanger.
Man müsse sich runter bis in den Privathaushalt optimieren, nicht dass Energie auf dem Dach erzeugt werden, aber dann wieder durch ein schlecht isoliertes Haus verloren gehe: „Jeder Euro der eingesetzt wird muss sinnvoll eingesetzt werden. Wir in der Regierung haben das Ziel alle Register zu ziehen.“
Der Minister bemängelt, dass viele Dächer heute noch frei seien, weil sich Photovoltaik oftmals noch nicht rentiere: „Technisch haben wir es drauf, aber wenn es konkret wird, gibt es viel Stirnrunzeln bei den Experten da draußen. Daher müssen wir das jetzt politisch vorantreiben.“
Plädoyer für ein unabhängiges Bayern
Minister Aiwanger hält nicht viel von einer Energie-Abhängigkeit zum Norden: „Wenn der Wind weht kommen die Gigawatt aus dem Norden, wenn es windstill ist, sitzen wir auf dem Trockenen.“
Stattdessen brauche man im Süden ein Schutzschild für die Versorgungsfähigkeit, Strom mit wettbewerbsfähigen Preisen für private Haushalte wie für die Industrie. „Diese Versorgungsvielfalt müssen wir hinbekommen.“
Als Maßnahmen nennt Minister Aiwanger u.a. die Aufrüstung von Gaskraftwerke hier im Süden sowie den Einsatz vieler KWK-Anlagen, die in der Fläche verteilt und intelligent gesteuert werden sollen.
„Diese Anlagen könnten als Feuerwehr agieren und so die Sicherheit feststellen.“
In diesem „Windschatten“ könne man dann hier im Süden – im Sonnenland – die Solarenergie ausbauen, denn diese habe eine sehr viel höhere Akzeptanz als die Windkraft.
Ungeniertes Denken und intelligente Energietechniken
Minister Aiwanger fordert ein „ungeniertes Denken“, neue Ansätze und intelligente Energietechniken:
Den Windstrom im Norden lassen und mit Power-to-Gas die Wärmeversorgung dort sicherstellen, während Bayern seine eigene Versorgung ausbaue – so lautet sein Credo.
Damit könne man schon einen großen Teil des Bedarfs abfedern und müsse nicht für zig Milliarden Trassen bauen.
Die Perspektive aus Baden-Württemberg
Nach dem Blick auf Bayern richten wir unseren Blick nun nach Baden-Württemberg. Dr. Andre Baumann Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg berichtet über die Perspektive aus dem Nachbar-Bundesland.
Es sei höchste Zeit für eine Energiewende.
Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg habe für das Jahr 2018 ein Ausnahmejahr verzeichnet. Seit Beginn der Aufzeichnung 1881, war 2018 das Jahr mit der höchsten Jahresmitteltemperatur. Auch der Winter sei deutlich zu nass gewesen. „Wir merken eine leichte Mediterranisierung unseres Klimas.“
„Ich kann die jungen Menschen sehr gut verstehen, die sich Sorgen um ihre Zukunft, um ihre Welt machen“, so Dr. Baumann.
Maßnahmen zur Energiewende
„Die alte Energiewelt finanziert die neue Welt“, so die Kernaussage von Staatssekretär Dr. Baumann. Seine Idee: Den Strompreis um 10Cent pro kW/h senken, durch die Reduzierung der Stromsteuer. Im Gegenzug fordert er eine Verteuerung der fossilen Brennstoffe. Unterm Strich müsse der Strompreis stabil bleiben und so die erneuerbaren Energien fördern.
Anders als der bayrische Minister Aiwanger, fordert Dr. Baumann einen Ausbau der Netze, auch bei uns in Süddeutschland. In Baden-Württemberg unterstütze man daher den Ausbau.
Doch neben diesem Ansatz setzt man auch in Baden-Württemberg große Hoffnung in intelligente Lösungen. So habe man über 80 Pilotprojekte für Smart Grids mit über 50 beteiligten Unternehmen und Forschungseinrichtungen initiiert.
Akzeptanz in der Bevölkerung
Dr. Baumann spricht gegen Ende seiner Rede über die Bürger: In weiten Teilen der Bevölkerung sei das Thema Digitalisierung der Energienetze und -Verbraucher noch nicht angekommen.
Wenn die politisch getroffenen Maßnahmen dann greifen, wolle man nicht, dass die Monteure vor verständnislosen und verärgerten Kunden stehen. „Jetzt mit der Kommunikationsarbeit beginnen“, fordert der Staatssekretär daher.
Podiumsdiskussion
Nach diesen beiden Impulsvorträgen gibt es nun eine Diskussion zu der auch Gerlind Heckmann, Ministerialdirigentin BMWi und Leiterin der Unterabteilung III C Netze, geladen ist.
Eine der ersten Frage lautet, wie die Abstimmung zwischen Bund und Ländern denn funktioniere. Minister Aiwanger aus Bayern übernimmt zuerst: „Ich glaube, wir haben derzeit eine Kommunikationslücke zwischen Bundespolitik und der Situation vor Ort.“ Das sei gar kein Vorwurf, sondern der politischen Realität geschuldet. Daher glaube er, dass die Landes-Energieminister die richtigen Multiplikatoren seien, die mitbekommen, wie die Situation vor Ort sei. Aiwanger fordert, dass sich die Kollegen bündeln und mit einer einheitlicheren Stimme sprechen.
Staatssekretär Dr. Baumann aus Baden-Württemberg pflichtet dem bei. Es ärgere ihn sehr, wenn Förderungen vom Bund einseitig gestrichen würden, Beispiel Windenergie: „Auch für ein zentrales Energiesystem brauchen wir mehr dezentrale Windräder.“
Auf Nachfrage des Moderators, erfolgt die Einladung durch Gerlind Heckmann vom BMWi nach Berlin.
Biogasanlage vs. Photovoltaik – Aiwanger: Das eine tun, das ander nicht lassen
Auf Nachfrage aus dem Publikum, welche Rolle denn Landwirte und Biogasanlagen denn in Zukunft spielen würden, antwortet der Minister, dass er sehr wohl mit den bestehenden Biogasanlagen plane und sie erhalten wolle, denn sie könnten bei Peaks ideal aushelfen.
Dr. Baumann teilt grundsätzlich die Perspektive von Aiwanger, zeigt sich aber auch sehr skeptisch:
Man habe gesehen, dass großflächig Mais angebaut wurde und wertvolle Moorflächen verschwunden seien. Daher wünscht sich Dr. Baumann grundsätzlich eine Reduzierung und einen Ausbau von PV-Anlagen.
Einblicke in die Basisarbeit von C/sells
Stadtwerke Augsburg
Dr.-Ing. Florian Samweber ist Leiter Innovation und Digitalisierung bei den Stadtwerke Augsburg Holding GmbH und spricht zu Beginn über die Rolle von C/sells für Innovationen bei den Stadtwerken. Dies sei: Ein unabhängiger Blick in die Energiezukunft, ein gegenseitiges Verständnis und sinnvolle Kontakte. Er erhofft sich daraus einen Mehrwert für Smart Meter Kunden, einen steigenden Anteil erneuerbaren Energien, eine steigende bzw. gleichbleibende Versorgungssicherheit sowie neue innovative Geschäftsfelder
Stadtwerke München
Energiewende vor Ort ist Aufgabe der Stadtwerke. Auch das zweite Projekt kommt daher von einem Stadtwerk. Andreas Weigand von den Stadtwerken München GmbH ist Leiter der C/sells Demonstrationszelle für Intelligente Wärme in München. Die Mission von Weigand: Lastverschubpotenzial von Power-To-Heat-Anlagen austesten, hochfrequentes Messen und Steuern über Intelligente Messsysteme sowie daraus resultierend, eine Basis zur Entwicklung für Kundenprodukten zu erreichen.
ReFLEX–Flexibilität
Nach Weigand spricht Nicolas Spengler (Leitung C/sells-Verbundkoordination) von der ENM GmbH. Er erzählt wie er mit ReFLEX die Flexibilität im Verteilnetz nutzbar macht. TenneT Flexibilität ist auch das Stichwort von Melanie Schutz, Referentin Netzwirtschaft bei der TenneT TSO GmbH. Sie spricht über die comax-Plattform, deren Ziel es ist, Netzbetreiberkoordination in Engpasssituationen sicherzustellen. Das Grundprinzip: Jede Zelle, jeder Akteur im Netz muss sich seiner Verantwortung bewusst sein. Es brauche klare Regeln und Schnittstellen – und genau das liefere die Plattform.
Flex-Plattform Altdorf
Simon Köppl stellt (Projektleiter FfE e.V.) die Flex-Plattform Altdorf vor.
Seine Aussage: „Die Energiewende passiert im Verteilernetz. Ein Stressfaktor für die Netze sei die zunehmende Elektrifizierung.“ So entstünden ganz neue Anforderungen an das Verteilnetz. Zusammen mit den Kollegen vom Bayernwerk hat er daher den Altdorfer Flexmarkt entwickelt. Zusammengefasst ist das eine Markt- und Koordinationsplattform für dezentrale Flexibilität.
Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH
Als letztes Projekt spricht Peter Breuning (Abteilungsleiter Netzleittechnik, Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH) über die Transformation, weg von der „Turnschuhschnittstelle“, hin zu einem effektiveren Prozess in der Vernetzung zwischen den Netzbetreibern.
Mehr Informationen zu den Projekten von C/sells finden Sie hier: www.csells.net/downloads/Csells_Magazin_Aug-2018.pdf
Die digitale Energiezukunft aus Sicht der Wissenschaft
Nach der Pause teilt nun Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Mauch, Geschäftsführer der Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. seine und die Sicht der Wissenschaft mit uns.
Bevor er über die digitale Energiezukunft spricht, blickt Prof. Dr. Mauch aber noch kurz zurück. Vor einigen Jahrzehnten bedeutete Digitalisierung, dass Standleitungen und Telefone in den Stadtwerken installiert waren. Transaktionen erfolgten „digital“ per Telefon. Musste z.B. ein Wasserspeicher in Österreich geleert werden, so erfolgte die Anfrage per Anruf. Daraufhin suchten die Stadtwerke ebenfalls telefonisch einen Käufer aus der Industrie, welcher die hohe Stromlast günstig abnahm.
Smart und digital – dank Daten
Smarte Verbraucher, smarte Quartiere, smarte Grids und smarte Energie – das sind die Stichworte von Prof. Dr. Mauch.
Smarte Quartiere sparen Energie, z.B. durch den Einsatz von intelligenten Speichern.
Intelligente Netze, welche beispielsweise über Thermo-Sensoren welche die noch verfügbare Kapazität der Leitungen messen können.
Smarte Energie: „Daten sind das neue Öl.“ In der Forschung sei man schon immer der Treiber von Datenbeschaffung gewesen. Auf Basis von Daten können die Forscher z.B. in einer Grid-Simulation analysieren, welche Kapazität denn noch verfügbar sind.
Bei der Frage nach den Daten sieht Prof. Dr. Mauch aber auch ein Problem, denn die zögerliche Digitalisierung bremse aufgrund von fehlender Daten die Effizienzsteigerung und die Forschung.
Diskussion: Wie gestalten wir die Digitalisierung der Energiezukunft?
Minister Aiwanger hat es vorhin deutlich angesprochen: Er setzt bei der Energiewende auf die Digitalisierung. Ein paar Beispiele hat er dazu in seinem Impulsvortrag bereits gegeben. In der jetzt folgenden Diskussion debattieren nun:
- Rudolf Escheu, Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie
- Dr. Andre Baumann Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg
- Gerlind Heckmann Ministerialdirigentin BMWi, Leiterin der Unterabteilung III C Netze
- Prof. Dr. Florian Bieberbach Stadtwerke München GmbH
- Dr.-Ing. Egon Leo Westphal Bayernwerk AG
- Thorsten Dietz TenneT TSO GmbH
- Prof. Dr. Jens Strüker Hochschule Fresenius
- Prof. Dr. Thomas Hofmann TU München
Moderiert wird die Diskussion von Dr.-Ing. Albrecht Reuter (Fichtner IT Consulting GmbH).
Diskussion Part 1
„Was wünschen Sie sich?“, diese Frage von Moderator Dr. Albrecht geht an den Vertreter des Netzbetreiber TenneT TSO GmbH, Thorsten Dietz.
Seine Antwort: „Wir haben den Wunsch, dass das was wir aktuell machen auch anerkannt wird. Dass wir die Kosten für IT-Lösungen ansetzen können.“ Gemeint sind dabei beispielsweise Kostenerstattungen. Doch Kostenerstattungen seien auf Dauer auch ein bisschen wenig: „Wir brauchen alle ein bisschen Spaß an dem was wir machen.“
Die Diskussion entwickelt sich nun weiter: Es geht um die Geschwindigkeit von Entwicklungen und ihrer Implementation. Prof. Dr. Jens Strüker (Hochschule Fresenius) richtet dabei einen Wunsch an seine Nebensitzerin Gerlind Heckmann, Ministerialdirigentin beim BMWi. Er bemängelt die langen Antragstellung und Zyklen von Reallaboren und wünscht sich einen Rahmen, in dem die Forschung sehr viel schneller Pilotprojekte installieren könne.
Sein Kollege Prof. Dr. Thomas Hofmann von der TU München spricht im Anschluss darüber, wie sich die Forschung aufstellen muss: Um neue Lösungen zu erarbeiten müssten sich die Universitäten breiter aufstellen als in der Vergangenheit. Dafür müssten verschiedene Fakultäten zusammenarbeiten: Physik, Informatik, BWL und Geisteswissenschaft müssen dafür zusammenarbeiten. Die Geisteswissenschaft sorge beispielsweise dafür, dass neue Technologien und Geschäftsmodelle auch die Anerkennung in de Gesellschaft bekommen.
Diskussion Part 2
Neben den politischen Anreizen für Netzbetreiber und bessere Voraussetzungen für die Forschung, geht es bei der Energiewende auch um die Rolle des Kunden. In der Vergangenheit wurde dieser als Abnehmer bezeichnet, so Prof. Dr. Bieberbach – oder wie Moderator Dr. Reuter schmunzelnd anmerkt, vielerorts auch als Last. Dieser Kunde wird nun smarter und zum „Flexsumer“.
Doch wie steht es um Daten der Konsumenten? In wessen Hand sind diese Daten, bzw. zu wessen Nutzen tragen diese Daten bei?
„Wenn wir noch mehr Flexibilität erschließen wollen, dann müssen wir weiter runtergehen, bis auf die Ebene der Geräte und dort Daten erheben. Es ist dabei natürlich selbstverständlich, dass die Datensicherheit gewährleistet sein muss“, so Prof. Dr. Jens Strüker – eine Aussage dem auch Staatssekretär Dr. Baumann zustimmt.
Doch was hat der Konsument davon, dass er seine Daten hergibt? „Wenn sie heute umziehen, füllen Sie Formulare aus und melden sich um, das dauert oft bis zu 4 Wochen“, so Prof. Dr. Strüker. In Zukunft würden durch die Erhebung von solchen Daten beispielsweise einzelne Geräte schnell ummelden lassen.
Staatssekretär Dr. Baumann mahnt in der Diskussion, dass die neue Energiewende nicht nur für die Verbraucher Spaß, sondern auch insgesamt Sinn machen müsse – und dazu gehöre eben auch diese Vernetzung von Geräten dazu.
Auf die Frage, was denn die Forschung tun könne, damit die Gesetzgebung schneller ihre Lösungen implementiere:
“Der Transport von der technischen Seite in ein Gesetzgebungsverfahren ist schon eine Schwierigkeit: Wir transportieren da noch nie dagewesene Lösungen. Daher kann ich Sie alle nur einladen mit uns in den Dialog zu treten!”
Gerlind Heckmann (Ministerialdirigentin BMWi)
Was will der Kunde?
Prof. Dr. Florian Bieberbach von den Stadtwerken München spricht über eine Kundenbefragung, die sein Unternehmen vorgenommen hatte. Das Ergebnis:
„Etwa 80% der Kunden wollen, dass es funktioniert, dass die Digitalisierung ihr Leben einfacher macht.“
Sie erhofften sich mehr Komfort und im Idealfall auch niedrigere Kosten.
Lediglich 20% der Kunden interessierten sich für die Technik und wollten sie besser verstehen. Diese letzte Gruppe sei aber in der absoluten Minderheit, das müsse man sich immer klarmachen.
Digitale Energiewende – Reicht das, um den Klimawandel zu stoppen?
Unser letzter Vortrag für heute kommt von Professor Harald Lesch. Vielen von Ihnen dürfte Lesch aus dem Fernsehen bekannt sein.
“Gestern hat er noch bei Anne Will geübt, heute ist er hier mit einer ketzerischen Frage: Reicht die Digitale Energiewende um den Klimawandel zu stoppen?”, so begrüßt Moderator Dr.-Ing. Albrecht Reuter den Wissenschaftler.
Wenn man über Digitalisierung spreche, dann gehe es um Takte, um fest definierte Abläufe. In der Natur sei dagegen nichts taktvoll, alles sei rhythmisch, eröffnet Prof. Lesch seinen Vortrag.
Mit der Digitalisierung beeinflussen wir die Natursphäre, man entziehe ihr Rohstoffe. Natursphäre vs. Anthroposphäre, nennt Prof. Lesch dieses Dilemma.
Unsere Eingriffe in die Natur haben in den letzten Jahrhunderten zu ziemlich drastischen Veränderungen geführt. Der Tenor derjenigen, die diese Probleme lösen wollten, sei aber allzuoft derselbe technologische, der dazu geführt habe. Als kleinen, aber offenbarenden Beleg dafür führt Prof. Lesch die Begrifflichkeit der Umwelt an. „Wieso Umwelt? Es müsste vielmehr Mitwelt heißen“, so der Forscher.
„Wir befinden uns heute an einem Kipppunkt – wir alle kommen um eine grundlegende Verhaltensänderung nicht herum.“
Steigerung der Effizienz und ihr Rebound-Effekt
Digitalisierung werde als Steuerungselement pausenlos gefragt mit einem immer höheren Datenfluss. Die Digitalisierung sei dazu da, Bedarfsfragen zu klären sowie zu managen – und das möglichst effizient.
Doch es gebe dabei einen gravierenden Rebound-Effekt: „Je effizienter unsere Geräte werden, desto öfter nutzen wir sie, was dazu führt, dass wir gar keinen Effekt mehr haben.
All unsere Bemühungen zur Effizienzsteigerung laufen damit ins Leere.“
CO2-Gehalt steigt trotz Erneuerbaren und Digitalisierung
Man habe die Kenntnis über die Natur und die sage uns eindeutig und klar, dass sich die Energieaufbewahrung der Erde erhöhe, so Prof. Lesch. „Der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre steigt und zwar trotz alldem, was wir in Deutschland und vielen anderen Ländern an regenerativen Energien und digitalen Techniken aufgebaut haben.” Die natürlichen Indikatoren zeigten aber, dass man davon absolut gar nichts merkt, die Steigerungsraten des CO2-Gehalts in der Atmosphäre seien ungebrochen.
Dekarbonisierung sei daher extrem wichtig, so Prof. Lesch: „Wenn ich aus der Politik höre, dass wir mutige Entscheidungen brauchen und Fehler machen müssen, dann flehe ich Sie an: Machen Sie die Fehler, und zwar schnell!“
Man müsse schnellstmöglich technologisch ausprobieren was funktioniere und was nicht.
“In was für einem Zustand ist diese Republik, wenn wir zu ihrem 70. Geburtstag von Schülern erinnert werden müssen, dass es um das Leben geht und dass dieses weiter geht.”
Prof. Harald Lesch
„Bei alldem bin ich mir aber sicher, dass es ohne Digitalisierung nicht funktionieren wird!“
So Prof. Lesch. Man müsse bei der Dekarbonisierung solche Datenmengen bewältigen, dass es die digitalen Technologien brauche.
„Wir befinden uns dabei aber gleichzeitig in einem ethischen Dilemma. Wir wissen bei all den Algorithmen nicht genau wie sie funktionieren“, warnt der Forscher. Dennoch: Wenn man jeden Algorithmus menschlich prüfen wollen, dann dauere das viel zu lange.
„Was ich Ihnen in diesem Vortrag zeigen will, ist Ihre enorme Verantwortung!“
Gegen Ende seines Vortrags zeigt Prof. Lesch, was es bedeutet, wenn wir nicht aktiv für eine Dekarbonisierung arbeiten: 1,6Mrd. Menschen werden durch den Anstieg des Meeresspiegels bis 2060 vertrieben. Und wenn man weiter mache wie bisher, dann werden viele Bereiche dieser Erde aufgrund des Temperaturanstieges nicht mehr bewohnbar sein.
„Was ich Ihnen in diesem Vortrag zeigen will, ist Ihre enorme Verantwortung! Das Schlimmste wäre, wenn wir das Potenzial der Menschen in technischen Berufen in unserem Land nicht nutzen würden! Von den konkreten Lösungen haben Sie viel mehr Ahnung wie ich […] Wir brauchen dafür aber noch sehr viel mehr Zusammenarbeit, noch viel mehr Tagungen wie diese.“
Auf Wiedersehen!
Den ganzen Nachmittag über haben wir die Aussagen und Eindrücke für Sie liebe Leser zusammengefasst. Prof. Lesch sein Vortrag bleibt und als Mahnung im Ohr: “Das KnowHow nutzen und die Vernetzung suchen, denn es ist höchste Zeit.”
Dieser Aufgabe nimmt sich die ZD.B Themenplattform “Digitalisierung im Energiebereich” gerne an – ein deutliches Signal, noch mehr in unsere Arbeit zu investieren.
Die komplette Veranstaltung können Sie im Live-Blog nachlesen unter www.energieistdigital.de